Franziskaner-Studienheim St. Ludwig Hadamar

Das Franziskaner-Studienheim St. Ludwig war eine von 1917 bis 1939 und von kurz nach dem Zweiten Weltkrieg bis 1974 bestehende Ausbildungseinrichtung des Franziskanerordens in Hadamar.
Vorgeschichte
Franziskaner waren in Hadamar spätestens vom 24. März 1632 an tätig. Zu diesem Zeitpunkt übernahm ein Franziskanerpater einen Teil der Seelsorge in der Stadt, nachdem die dort ansässigen Jesuiten um die Jahreswende 1631/32 die Stadt wegen der bedrohlichen Lage durch die Schweden im Dreißigjährigen Krieg verlassen hatten. In den folgenden Jahren etablierte sich eine franziskanische Präsenz, die vom Kloster des Ordens in Limburg ausging. 1637 schenkte Graf Johann Ludwig von Nassau-Hadamar den Franziskanern die Kirche St. Ägidius, nachdem die Funktion der Pfarrkirche kurz zuvor auf die Liebfrauenkirche übergegangen war. Die Kirche wurde um ein Klostergebäude, Grundsteinlegung am 22. April 1637, erweitert und am 1. September 1637 erfolgte die feierliche Gründung der Niederlassung, die erste in der thüringischen Ordensprovinz der Franziskaner nach der Reformation. Im Rahmen der Säkularisation wurde auch das Hadamarer Franziskanerkloster 1803 aufgelöst, die Räume an der Ägidienkirche aber zunächst als Sammelkloster für verschiedene Klöster genutzt. 1816 erfolgte die Einziehung des Klosterbesitzes durch den nassauischen Staat, der es der örtlichen evangelischen Kirchengemeinde übereignete, von dieser aber 1826 zurückkaufte und eine Hebammen-Lehr- und Entbindungsanstalt einrichtete, der Ausgangspunkt für alle medizinischen Einrichtungen auf dem Mönchsberg.[1]
Geschichte
Die Verhandlungen zwischen der thüringischen Franziskanerprovinz mit Sitz in Fulda und dem preußischen Regierungspräsidium in Wiesbaden zur Einrichtung eines Studienheims des Ordens in Hadamar begannen spätestens im Jahr 1916. Hintergrund war die Tatsache, dass auf dem Internat der deutschen Franziskanerprovinz im niederländischen Watersleyde kein deutsches Abitur erworben werden konnte (dazu: Wikipedia-Artikel über das Franziskanergymnasium Kreuzberg). Die Schüler, die für künftige Aufgaben im Franziskanerorden vorgesehen waren, sollten nach dem Abschluss der Obersekunda in Watersleyde an das katholisch ausgerichtete Gymnasium im Hadamarer Schloss wechseln und dort in einem Ordensinternat leben. Ein ähnliches Verfahren war bereits einige Jahre zuvor mit dem Franziskanerkloster Kamp-Bornhofen und dem Gymnasium in Boppard etabliert worden. Unter anderem wegen der dazu nötigen Rheinquerung wollte der Orden eine andere Lösung etablieren. 1916 gingen die Franziskaner von einer Zahl von 10 bis 15 Schülern aus, die das Internat in Hadamar besuchen würden. Als Standort war bereits bei den ersten Verhandlungen mit der preußischen Verwaltung der Südflügel des ehemaligen Jesuitenklosters in Aussicht genommen worden. Darüber hinaus wollten die Franziskaner in Hadamar einen Ordensstützpunkt zur Seelsorge in der umliegenden Region, insbesondere im Westerwald, etablieren.[2]
Mit Schreiben vom 20. Februar 1917 genehmigte das preußische Ministerium für geistliche und Unterrichtsangelegenheiten zwar das Studienheim, untersagte den Franziskanern aber eine seelsorgerische Tätigkeit und begrenzte die Zahl der für Hadamar zugelassenen Patres auf zwei.[3] Am 24. Mai teilte der Franziskanerorden wiederum dem Regierungspräsidium mit, dass die Niederlassung in Hadamar eröffnet sei. Zunächst lebten dort vier Zöglinge und Pater Fidelius Schumacher (geboren als Leopold Schumacher in Hohenzollern-Hechingen).[4] Die Franziskaner kauften den Südflügel des ehemaligen Jesuitenklosters von der katholischen Kirchengemeinde Hadamar, wobei im Obergeschoss zunächst die Privatwohnung des Hadamarer Bürgermeisters bestand. 1921 weitete sich das Kolleg auf das gesamte Haus aus. Im gleichen Jahr übernahm Pater Hippolytus Böhlen das Rektorat.[5]
Die Einrichtung wurde später als "Franziskaner-Studienheim St. Ludwig" geführt. Sie bestand zunächst bis zum 1. März 1939, als es von der Geheimen Staatspolizei des "Dritten Reichs" geschlossen wurde. Als Begründung wurden, wie in anderen Kampagnen gegen katholische Ordenseinrichtungen dieser Zeit, angebliche homosexuelle und pädophile Handlungen aufgeführt und in der nationalsozialistischen Presse weit gestreut.[6] Letzter Rektor war Pater Justus Michel, der im Umfeld der Schließung zunächst zehn Monate im Gefängnis und anschließend für fast vier Jahre in den Konzentrationslagern Oranienburg und Dachau inhaftiert wurde. Weitere festgenommene Ordensmitglieder wurden schnell wieder freigelassen. Am 27. Juni 1939 wurde die Ordensmiederlassung in Hadamar aufgegeben.[7]
Das Studienheim eröffnete nach dem Zweiten Weltkrieg wieder und weitete sich 1965, nach dem Bau des neuen Pfarrheims der katholischen Kirchengemeinde, auf den Ostflügel des ehemaligen Jesuitenklosters aus, den der Franziskanerorden ebenfalls erwarb.[8] 1974 wurde das Studienheim endgültig geschlossen. 1976 verließen die Franziskaner Hadamar.[9]
Einzelnachweise
- ↑ Karl Josef Stahl: Hadamar Stadt und Schloss, S. 177 f., 196-199
- ↑ Schreiben des Regierungspräsidenten Wiesbaden an das Königliche Konsistorium Wiesbaden vom 7. August 1916, HHStAW Bestand 405 Nr. 5161.
- ↑ Schreiben des Ministers für geistliche und Unterrichtsangelegenheiten an den Regierungspräsidenten von Wiesbaden vom 20. Februar 1917, HHStAW Bestand 405 Nr. 5161.
- ↑ Schreiben von Pater Fidelius Schumacher OFM an den Regierungspräsidenten von Wiesbaden vom 24. Mai 1917, HHStAW Bestand 405 Nr. 5161.
- ↑ Karl Josef Stahl: Hadamar Stadt und Schloss, S. 199
- ↑ Skandalöse Zustände in Klöstern, Hamburger Tageblatt vom 26. März 1939.
- ↑ Klaus Schatz SJ: Geschichte des Bistums Limburg. Mainz, 1983, S. 279 f.
- ↑ Karl Josef Stahl: Hadamar Stadt und Schloss, S. 199
- ↑ Klaus Schatz SJ: Geschichte des Bistums Limburg. Mainz, 1983, S. 229.